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Kinderarbeit beim Kobaltabbau im Kongo für Smartphones und E-Autos

René Gräber
Hier schreibt:
René Gräber

Für Batterien für Smartphones oder Tablets und Elektroautos wird das Element Kobalt benötigt.

Und jenseits der Kinderarbeit zunächst ein paar ganz schnöde Zahlen und Eigenschaften des ferromagnetischen Übergangsmetalls:

  • Chemisches Zeichen: Co
  • Ordnungszahl: 27
  • Atommasse: 59 (stabil), es gibt insgesamt 7 Isotope
  • Aggregatzustand: fest, bei hexagonaler Kristallstruktur
  • Aussehen: metallisch mit bläulich- gräulichem Schimmer
  • Schmelzpunkt: knapp 1.500 °C
  • Toxizität: ab 6,17 mg / kg Körpergewicht

Kobalthaltige Erze werden im Kongo vielfach von Kindern unter katastrophalen Bedingungen abgebaut. Es handelt sich typischerweise um völlig ungesicherte Erdschächte, die nicht selten durch eintretendes Grundwasser geflutet werden. Derartige verlassene oder noch aktive „Mini-Minen“ gibt es viele in der Region Katanga im südlichen Kongo. Und tatsächlich lagert hier in etwa die Hälfte der weltweiten Kobaltreserven.

Chemaf heißt das größte kongolesische Bergbau-Unternehmen und sein Begründer ist Shiraz Virji. Doch daneben gibt es eben den sogenannten artisanalen Bergbau, der völlig unkontrolliert von Teilen der Bevölkerung und eben auch deren Kindern quasi mit Hand in die afrikanische Erde gebohrt wird. Daher ist schon lange eine Debatte über „sauberes Kobalt“ entbrannt, dessen zertifizierte Lieferkette in Abwesenheit von Kinderarbeit genau nachvollzogen werden kann.

Kolwezi ist die selbst ernannte Kobalthauptstadt der Welt. Doch es lebt sich dort gefährlich, denn unzählige selbstgegrabene Tunnel mitten in der Stadt unterhöhlen die breiten Straßen, es besteht allenthalben Einsturzgefahr. Im Stadtteil Kasulu befinden sich die Kleinminen sogar direkt unter den Wohnvierteln, weil die Menschen dort sogleich unter ihren Häusern nach den einträglichen Mineralien graben. Darüber weiß Nicole Masanze von World Vision zu berichten. Sie machen es ohne Helm, Schutzkleidung oder Sicherung, also auch ohne Atemmaske gegen den giftigen Staub. Tödliche Unfälle sind da unten an der Tagesordnung.

Mit Hammer und Meißel wird das Gestein, nicht selten auf dem Rücken liegend, in klaustrophobischer Enge bearbeitet. Manchmal fallen aus den Wänden schwere Steine auf die Menschen herab. Nur wer viel Glück hat, kommt dort unbeschadet wieder heraus. Der Geologe Sebastian Vetter von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist in Katanga tätig und hat verstanden, dass die Menschen in diesen Minen ein Vielfaches von dem verdienen können, was in der Landwirtschaft möglich ist.

Offiziell sind die Kleinminen im Kongo legal, allerdings unter den Auflagen des Minencodes, die da wären:

  • Jeder Schürfer muss sich registrieren lassen.
  • Gegraben werden darf nur in ausgewiesenen Zonen.
  • Vorschriften in puncto Sicherheit, Arbeits- und Umweltschutz sind einzuhalten.
  • Kinderarbeit ist verboten.

So jedenfalls die Theorie, die Gesetze befolgen und deren Einhaltung zu kontrollieren, ist eine ganz andere Sache. Nur wenige Schürfer kennen die Vorschriften, halten sie aber nicht ein. Ab und zu wollen die Behörden eine Mine schließen, doch dann gibt es mächtig Zoff.

Die Hilfsorganisation World Vision versucht indes einen anderen Weg. Da gibt es zum Beispiel das Projekt „ProMines“, dem ein Ausbildungsprogramm für junge Menschen angegliedert ist. Finanziert wird das Ganze über die Weltbank und die Arbeit teilt sich auf verschiedene Hilfsorganisationen auf.

Die Direktorin Florence Mambo berichtet stolz, dass auf diese Weise schon 1.200 Kinder aus den Minen „gerettet“ werden konnten. Doch das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn in der gesamten Region Katanga graben nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 22.000 Kinder nach Kobalt.

Der Provinzgouverneur von Kolwezi macht sich das Leben leicht, denn er geht einfach gegen die Berichterstattung vor, um dem ramponierten Ruf dieser Bergbauregion entgegenzusteuern. Am Schlagbaum zum Feld der Kobaltminen steht auf dem großen Schild: „Zutritt für Kinder und schwangere Frauen streng verboten.“ Die dort positionierten Minenpolizisten folgen der strikten Anweisung, die lästigen Reporter von den Minen fernzuhalten, wenngleich 2.000 Francs dann doch einer gültigen Eintrittskarte gleichkommen. Kinder schlüpfen dort schon eher mal durch und verdienen für einen ganzen Tag schwerster Arbeit ungefähr 1,50 Euro.

Chemaf hat ein Gebiet seiner Konzessionsfläche umzäunen lassen. Die Schürfer, die darin ihr Kobalt abbauen dürfen, riskieren nun nicht mehr ihr Leben. Um hinein zu kommen, müssen sie aber an Kontrolleuren vorbei und ihren Ausweis zeigen. Zuvor müssen sie sich für umgerechnet 20 Euro (40.000 Franc) registrieren lassen und die Schutzkleidung kaufen. Doch begeistert sind viele Schürfer ganz und gar nicht darüber.

Die Industriemine von Kolwezi ist umgeben von riesigen Abraumhalden, die wie ein Schweizer Käse durchlöchert sind. Vanessa Umbakaso hat dort als Teenager gearbeitet, immerzu gefroren und war immerfort krank. Andere Schürfer haben sie verprügelt. Männer, Frauen und Kinder stehen dort tief gebeugt in einer dreckigen Brühe und füllen Geröll in Eimer, das sodann durch Abspülen vom Sand befreit wird, denn in dem Abraum befinden sich noch immer die begehrten Mineralien: grünes Kupferoxid und schwarzes Kobaltoxid. Frauen und Kinder bekommen aber weniger dafür als Männer.

Die vielen halb offenen Bretterbuden tragen die Aufschrift „Depot“. Darin sitzen die Zwischenhändler. Sie kaufen den Schürfern die Mineralien-Säcke ab und beliefern dann die Bergbau-Konzerne damit. Für sie ist dieses System genial, denn so ist das Personal, für das sie keinerlei Verantwortlichkeit tragen, faktisch „outgesourct“.

Das bisschen schwer verdiente Geld für die Mineralien hält ungefähr 200.000 Menschen in diesem artisanalen Bergbau. Solange die Demokratische Republik Kongo ihren jungen Menschen keine Alternative bietet, wird der Kobaltabbau in dieser Form weitergehen.

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