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„Die katholische Kirche hat Sexualverbrecher geradezu versteckt“

René Gräber
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René Gräber

So jedenfalls lesen sich die Recherchen von El País und report München, in denen aufgedeckt wurde, dass Priester, die unter Missbrauchsverdacht standen, regelrecht nach Südamerika verschifft wurden. Ein Beispiel dafür geht zurück auf den Anfang der 1960er-Jahre.

Per Haftbefehl gesucht wurde damals ein Priester aus dem niedersächsischen Süpplingen westlich von Helmstedt. Dieser wurde verdächtigt, sich mehrfach an den Jungen seiner Jugendgruppe vergangen zu haben. Doch der Priester war einfach nicht mehr auffindbar, denn er war von hochrangigen Kirchenvertretern gedeckt längst in Südamerika untergetaucht.

Einer der Strippenzieher dieser Aktion war der 2017 verstorbene Theologe Emil Stehle, was bislang geheime Kirchenakten belegen. Stehle war damals Chef der Koordinationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, die den schönen Namen „Fidei Donum“, was in etwa „Geschenk des Glaubens“ bedeutet, trug. Zu seinen Aufgaben gehörte die Missionierung in Lateinamerika. Geradezu folgerichtig wurde Stehle später in Ecuador Bischof von Santo Domingo de los Colorados

Ein belastender Aktenfund

Die ehemalige Richterin und Ex-Justizministerin von Niedersachsen Antje Niewisch-Lennartz ist derzeit als Obfrau der Aufarbeitungskommission des Bistums Hildesheim tätig. Eher zufällig stieß sie auf die alte Akte des straffälligen Priesters aus Süpplingen. Diese Dokumente lagen im Archiv des Bistums in einem noch ungeöffneten Umzugskarton. Gefunden wurde darin ein Brief von Emil Stehle aus dem Jahre 1976 an Heinrich Maria Janssen, dem damaligen Bischof von Hildesheim.

Die folgende Passage daraus sticht besonders ins Auge:

„… den hier nicht genannten Herrn anderenorts, und zwar nicht nur in einer anderen Diözese, sondern auch in einem anderen Land einzusetzen. Ich darf im Sinn Ihres Briefes annehmen, dass Sie einverstanden sind, wenn ich Ihnen diesen neuen Einsatzort nicht bekannt mache und Sie Dritten gegenüber folglich auch keine Auskunft geben können.“

Dies legt den Vorwurf der Vertuschung mehr als nahe

So lebte der Priester aus Süpplingen in Paraguay unbehelligt weiter und niemand weiß, was er dort alles angestellt hat. Finanziert wurde sein Aufenthalt durch das bischöfliche Hilfswerk für Lateinamerika „Adveniat“. Niewisch-Lennartz entnimmt der Art und Weise, wie jener Brief geschrieben war, dass das bestimmt kein Einzelfall war.

Dass das Verschwinden von Tätern in der Kirche System hat, zeigt auch der Fall eines Priesters aus Barcelona, gegen den schwere Missbrauchsvorwürfe durch einen Ministranten vorliegen. Dieser Priester fand 1990 (zufällig) Unterschlupf in jenem Bistum von Emil Stehle in Ecuador und machte Letzteren dort sogleich zu seinem Privatsekretär.

Im geheimen Bistumsarchiv von Santo Domingo gibt es zu diesem Vorgang Briefe, die klar dokumentieren, dass es in der Sache auf höchster Ebene Absprachen gegeben hatte. Die Beteiligten waren hier der entsendende Bischof von Barcelona, Emil Stehle (Bischof von Santo Domingo de los Colorados) und Ricardo Maria Carles.

Ein weiteres Beispiel führt uns nach Kolumbien. Die Information darüber kommt aus dem Bistum Cali in Kolumbien. Demnach wurde ein Priester, gegen den eine ganze Reihe von Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vorlag, ebenfalls in das Bistum von Emil Stehle, also nach Santo Domingo de los Colorados entsendet.

Jetzt wird aufgearbeitet

Heute ist Bertram Wick Bischof von Santo Domingo de los Colorados. Er ist derzeit mit zehn Altfällen sexuellen Missbrauchs in seiner Diözese beschäftigt, die dort während der Zeit von Emil Stehle und Nachfolger gelaufen sind. Padre Jorge Apolo, der juristische Vikar des Bistums, bestätigt, dass ein Priester aus Santo Domingo geflohen ist. Ein anderer kolumbianischer Priester, der ebenfalls in Santo Domingo untergetaucht war, sitzt inzwischen in Kolumbien im Gefängnis.

Auch Bischof Stehle wird des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Mehr als zehn Frauen haben sich diesbezüglich bei kirchlichen Stellen gemeldet. Das jüngste Opfer war zum Zeitpunkt der Tat erst elf Jahre alt. Die Deutsche Bischofskonferenz bestätigte, dass zurzeit alle Dokumente aus der Koordinationsstelle „Fidei Donum“ untersucht werden.

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Dieser Beitrag wurde am 26.07.2022 erstellt.

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