Zwar schränkt das indische Recht formal-juristisch die Beschäftigung von Minderjährigen unter 14 Jahren ein, aber verboten ist die dort sehr weit verbreitete Kinderarbeit nicht. In der Folge gehen sehr viele Kinder gar nicht zur Schule. Hinzu kommt, dass so viele Tätigkeiten mit Gefahren und körperlicher Überlastung verbunden sind, wodurch sich die Kinder zum Teil schwere chronische Erkrankungen einhandeln.

Ungefähr 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und 14 Jahren gehen in Indien nicht zur Schule. Dies bedeutet für 12,6 Millionen Kinder die Verpflichtung zu schwerer und gefährlicher Arbeit, so weist es der UNICEF-Report aus. Die meisten Kinder müssen sogar bis zu 16 Stunden pro Tag arbeiten. Die International Labour Organization (ILO) weist aus, dass fast 70 Prozent der in Indien arbeitenden Kinder zumeist auf Baumwollplantagen schuften müssen.

Abgesehen davon, dass die Säcke mit ihrer Ernte viel zu schwer sind, sind die Kinder täglich giftigen Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt. Haut- und Atemwegserkrankungen gehören dort zu den „normalen“ Folgen. Ein Anteil um 16 Prozent der Kinder stellt Zigaretten, Feuerwerk oder Teppiche her, während circa zwölf Prozent in einem weiteren Sinne im Tourismusbereich tätig sind, also zum Beispiel von Hotel- und Restaurantbesitzern schamlos ausgenutzt werden. Insbesondere für Mädchen sind Gewalt und sexueller Missbrauch die Tagesordnung.

Warum herrschen dort heute noch solche Zustände?

Indien ist nach wie vor ein Land der Extreme. Auf der einen Seite ist ein beachtliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, aber der Reichtum kommt nur bei wenigen an. Mehr als 300 Millionen Menschen haben in Indien zurzeit weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung, so weist es die Weltbank aus.

Die Mehrheit der Armen lebt auf dem Land, wo die nächste Schule nur mit dem öffentlichen Nahverkehr erreicht werden kann, und dafür ist das Geld nicht vorhanden. Den Eltern dieser Kinder war es nicht anders ergangen. Weil diese keine richtige Ausbildung gemacht haben, haben sie keine Chance, in einer Stadt einen Job zu finden, also bleibt alles so, wie es schon immer war. Kein Wunder, dass Kinderarbeit in Indien stark traditionell verankert ist und daher überall toleriert wird.

Wenn es überhaupt einmal zu einer Anzeige wegen der Beschäftigung von Minderjährigen kommt, erfolgt bei nicht einmal 30 Prozent der Fälle eine Verurteilung, wobei es um Geldstrafen von höchstens 50.000 Rupien, umgerechnet weniger als 650 Euro, geht. Per Gesetz dürfen Kinder unter 18 Jahre keiner „gefährlichen“ Arbeit nachgehen. Allein, eine Definition, was das heißt, gibt es nicht.

Inzwischen hat die indische Zentralregierung die „National Child Labour Project“ (NCLP) eingerichtet mit dem Ziel, Kinderarbeit deutlich zu reduzieren. Dieses lässt sich die Regierung sogar 77 Millionen Euro kosten. Tatsächlich wurde ein kleines Stück der langen Zielstrecke auf diesem Weg erreicht.

Fatale historische Entwicklung

Aus dem Kastenwesen im Verein mit geschlechtsbezogener Diskriminierung, Religionszugehörigkeit und der Rechtlosigkeit der Landarbeiter hat sich die noch heute vorhandene Schuldknechtschaft, also ein System der Zwangsarbeit ergeben, bei dem Kinderarbeit nur eine Folgerichtigkeit sein kann. Dabei spielen mündliche oder schriftliche Verträge mit Geldverleihern eine entscheidende Rolle. Die Kredite werden dann mit der Kinderarbeit zurückgezahlt. Betroffen sind insbesondere Millionen Kinder aus der schon immer unterdrückten Dalit-Kaste. Gerade die Mädchen müssen oft völlig unbezahlt im Haushalt arbeiten und andere Kinder versorgen.

Nehmen wir das Beispiel Zuckerrohr

Bei Global March Against Child Labour* handelt es sich um ein weltweites Netzwerk aus Lehrerverbänden, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, das sich den Kampf gegen Kinderarbeit, Menschenhandel und Sklaverei zur Aufgabe gemacht hat. In einem besonderen Fokus der Beobachtung stehen hier die globalen landwirtschaftlichen Lieferketten.

* https://globalmarch.org/

Kinder aus Familien von Wanderarbeitern, die von Zwangsarbeit betroffen sind, begeben sich zur Ernte regelmäßig in die Zuckerrohrstaaten Karnataka, Gujarat, Maharashtra oder nach Uttar Pradesh. Allein im Bundesstaat Maharashtra sind das um die 200.000 Kinder. Untergebracht werden sie meistens in unwürdigen, provisorischen Behausungen in der Nähe von Müllhalden. Strom und Wasser, Sanitäreinrichtungen oder gar medizinische Hilfe sind dort Fehlanzeige.

Erntezeit bedeutet dort das Schneiden und Stapeln von Zuckerrohr, und zwar bis zu 22 Stunden pro Tag. Um das Zuckerrohr stets rechtzeitig auf- und abladen zu können, ist an einen zusammenhängenden Schlaf nicht zu denken. Die Frauen sind dadurch total übermüdet und unfähig, etwas zu kochen. Dahinter steht ein ausgeklügeltes, ausbeuterisches System aus Krediten, Vorauszahlungen und Schulden, das die Familien zu dieser Form der Migration hin zur Zwangsarbeit treibt. Einen Ausweg aus dem Teufelskreis gibt es nicht.

Dieses menschenverachtende System wurde praktisch allen landwirtschaftlichen Produkten übergestülpt, also auch Reis, Baumwolle, Tabak, Obst und Gemüse. Zwar hat sich Indien zu einem Grundrecht auf Bildung für jedes Kind zwischen 6 und 14 Jahren, dem Right to Education Act, durchgerungen, aber die grundsätzliche Zulassung der Kinderarbeit in Familienbetrieben untergräbt faktisch diesen löblichen Ansatz.

Indien ist nicht so weit weg

Jeder von uns, der an solchen Zuständen etwas ändern möchte, kann tatsächlich etwas dagegen tun, indem hier zum Beispiel nur Produkte aus dem fairen Handel eingekauft werden. Achten Sie also auf diese Siegel:

  • Fair Flowers Fair Plants
  • Fairtrade
  • XertifiX

Letzteres wird nur dann vergeben, wenn menschenwürdige Bedingungen in den Steinbrüchen Indiens herrschen und die Arbeiter den Mindestlohn bekommen, wobei Kinderarbeit gleichzeitig verboten ist.

Wenn zunehmend mehr Konsumenten nachhaltig produzierte Waren verlangen und dafür bereit sind, auch höhere Preise in Kauf zu nehmen, sind die Unternehmen zum Umdenken gezwungen. Aus reiner Menschenfreundlichkeit machen kapitalistische Strukturen nämlich gar nichts.

Unternehmen, die landwirtschaftliche Produkte wie Baumwolle oder Zuckerrohr beziehen, sollten darauf dringen, dass die Rechte der marginalisierten Arbeiter und ihrer Kinder geschützt sind, das heißt, alle Arbeiter, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Kaste, müssen bei menschenwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen, wozu unbedingt gesetzlich geregelte Arbeitszeiten gehören, wenigstens den Mindestlohn ausgezahlt bekommen.

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Dieser Beitrag wurde am 05.03.2022 erstellt.

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